In der sich ständig verändernden Versorgungslandschaft haben es insbesondere Menschen, die an mehreren chronischen Krankheiten gleichzeitig leiden (Multimorbidität), schwer, individuell passende Therapieansätze zu finden und umzusetzen. Das ESCAPE-Projekt, eine EU-finanzierte Forschungs- und Innovationsinitiative, entwickelt und erprobt ein Versorgungskonzept, in welchem eine Therapiebegleitung Patient:innen bei der gleichzeitigen Bewältigung von körperlichen und mentalen Gesundheitsproblemen unterstützt. Ein solches Konzept wird auch „Blended Collaborative Care“ (BCC) genannt.
Der Blended Collaborative Care (BCC) Ansatz erkennt an, dass die Verbesserung der körperlichen Gesundheit von Verbesserungen der psychischen Gesundheit profitiert und umgekehrt. Eine zentrale Rolle spielen Therapiebegleiter:innen, die die individuellen Bedürfnisse ihrer Patient:innen genau im Blick haben. Therapiebegleiter:innen sind erfahrene und engagierte medizinische Fachkräfte wie z. B. Pflegefachpersonen. Sie schlagen die Brücke zwischen Patient:innen mit ihren individuellen Bedürfnissen und dem Versorgungssystem, bestehend aus Haus- und Gebietsärzten, nicht-ärztlichen therapeutischen Professionen, Pflege und gemeindenahen Ressourcen. Ziel ist es, die Versorgung von Patient:innen komplexen Bedarfen und Bedürfnissen zu vereinfachen und zu optimieren.
Zu den zentralen Aufgaben der Therapiebegleiter:innen gehört die Unterstützung ihrer Patient:innen bei der Realisierung von Gesundheitszielen, ähnlich wie Personal-Trainer beim Erreichen von Fitnesszielen helfen. Von Patient:innen angestrebte Gesundheitsziele sind oft sehr breit angelegt und sehr ambitioniert, z. B. „Ich will wieder mehr Sport machen.“ Solche übergreifenden Ziele sind schlecht zu messen und oft auch nicht in kurzer Zeit erreichbar, ein Erfolgserlebnis bleibt aus. Hier kommen die Therapiebegleiter:innen ins Spiel: sie wandeln gemeinsam mit den Patient:innen die breiten ambitionierten Vorhaben in überschaubare und bewältigbare Schritte, sogenannte Mikroziele, um. Diese scheinbar kleinen Schritte, wie zum Beispiel ein 5-minütiger täglicher Spaziergang oder 10 Zehenberührungen können bereits zu Verbesserungen der subjektiv wahrgenommenen Gesundheit und Lebensqualität beitragen.
Da jede Patient:in einzigartig ist, passen die Therapiebegleiter:innen die Mikrozielpläne an die individuellen Gesundheitsprobleme, Lebensumstände und Vorlieben des Patient:innen an. Sie pflegen regelmäßige Kontakte, überwachen den Fortschritt und passen die Pläne bei Bedarf an. Der Ansatz des ESCAPE-Projekts ermöglicht Patient:innen, kleine, fokussierte Schritte zu gehen, die zu erheblichen Verbesserungen des Wohlbefindens, insbesondere für multimorbide Patient:innen führen kann.
Die Machbarkeitsstudie des ESCAPE-Projekts, welche zu Beginn des Projekts durchgeführt wurde, erprobte diese Grundsätze der Therapiebegleitung in kleinem Maßstab. Die Reaktion der Patient*innen war weitgehend positiv, wobei etwa 80 % der Patient*innen eines oder mehrere ihrer Mikroziele erreichten, so dass eine Wirksamkeit der Intervention anzunehmen ist. Die Patient*innen schätzten den proaktiven Ansatz der Therapiebegleiter:innen und begrüßten die regelmäßigen Telefonanrufe und die angebotene Unterstützung. Der Ansatz fördere Vertrauen und ermögliche eine offene Kommunikation über gesundheitliche Probleme. Das Feedback aus der Studie unterstrich die zentrale Rolle einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Therapiebegleiter:in und Patient:in bei der Erzielung positiver Ergebnisse.
Nach den positiven Rückmeldungen von sowohl Patient:innen und als auch ihren Angehörigen zu der Machbarkeitsstudie führt das ESCAPE-Team nun eine umfassende klinische Studie zur Bewertung des „Blended-Collaborative Care Konzepts“ mit Therapiebegleiter:innen in sechs verschiedenen Ländern über einen längeren Zeitraum durch. Das ESCAPE-Projekt sucht aktiv Patient:innen für die Studie. Patient:innen müssen über 65 Jahre alt sein unter chronischer Herzinsuffizienz, psychischer Belastung und mindestens zwei weiteren körperlichen Erkrankungen leiden. Die Teilnahme an der Studie ist für Patient:innen und Angehörige einfach und umfasst Telefongespräche und schriftliche Fragebögen. Wir laden alle Personen in unseren Testländern Irland, Dänemark, Deutschland, Litauen, Ungarn und Italien ein und sich an escape@umg.eu zu wenden, um weitere Informationen zu erhalten.